Übersicht der Abschnitte:
Einleitung: Geschichte mit Hindernissen
Klang des Saxophons
Wie das Saxophon schwingt
Die Rolle von Mundstück und Blatt
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Adolphe Sax, ein in Belgien geborener Instumentenbauer, entwickelte 1840 ein tieferes Blasinstrument mit dem von der Klarinette bekannten Mundstück, das er "Saxophon" nannte. Im Gegensatz zur Klarinette gab er dem Instrument eine konische Form mit der engen Seite am Mundstück und großem Durchmesser am offenen Ende. Die Grifftechnik ist an die von Klarinette, Flöte und Oboe angelehnt, ist heute aber so eigenständig, dass man beim Musizieren besser nicht an die Verwandtschaft denkt. Das Mundstück erlaubt durch seine Form und im Zusammenwirken mit Rohrblättern unterschiedlicher Machart eine größere Variation der Lautstärke und der Klangfarbe als die Instrumente der Oboenfamilie. Obwohl Adolphe Sax sein Entwicklungsziel erreicht hatte, nämlich ein voll tönendes Rohrblatt-Instrument tieferer Tonlage anzubieten, zögerten Musiker lange, das Instrument in ihre Musik einzufügen. Wohl gab es einige Komponisten, die das Instrument bedachten, doch fehlte es an überzeugenden Musikern, die durch ihre persönliche Ausstrahlung (das 'Charisma') das Publikum mit dem Instrument vertraut gemacht und anhaltend begeistert hätten. Dazu kamen Abwehrreaktionen der Konkurrenten unter den Instrumentenbauern, gegen die sich Adolphe Sax sogar auch mit Gerichtsverfahren zur Wehr setzen musste. Der Musik-Journalist Hans-Jürgen Schaal schrieb in seinem Blog mehrere Artikel mit unglaublich vielen Details zur Geschichte des Saxophons. Die Artikel sind bei den folgenden Links:
Über das Saxophon in der klassischen Musik (1997 - 2002).
Das Saxofon in Deutschland: Kurioses zwischen 1845 und 1945 (2007 - 2010).
Das Saxofon im Nationalsozialismus (2011 - 2014).
Der Deutschlandfunk erinnerte an Adolphe Sax. Hier ist die Aufzeichnung der Sendung:
Deutschlandfunk, 'Kalenderblatt' am 6. Nov. 2014: Adolphe Sax 200 Jahre (mp3, 5 Minuten)
Von Konkurrenzdruck bis zu blankem Hass ist also in der Geschichte des Saxophons zu finden. Sind die Versuche der Instrumentenbauer, das Saxophon zu verhindern, noch verständlich, so sind die Angriffe von Kritikern der Musik (z. B. dem national-protestantischen "Deutschen Frauenkampfbund gegen Entartung im Volksleben", 1929) deutliche Beispiele, wie Hass sich durch Verdrehungen oder auch Lügen selber verstärkt.
Aber die Anfeindung des Saxophons war es nicht allein, was der Anerkennung des Saxophons im Weg stand: In Europa hatte sich eine Musikkultur entwickelt, in der Musik höheren Niveaus aufgeschrieben war. Dabei war freies Spiel - "Extemporieren" (d. h. im Augenblick erschaffen) - sehr wohl bekannte Praxis, man denke nur an die "Kadenzen" in Solokonzerten. Bei der Verfeinerung der Aufführungspraxis war aber das Aufschreiben durchaus nützlich, denn beim Einüben kann man über die Musik gut reden. Die Kehrseite: frei dahin gespielte Musik wurde als eher unkultiviert, primitiv angesehen. Das Erproben eines neuen Instruments ist aber eher anarchisch, und das wird behindert, wenn ein Komponist, Arrangeur oder Dirigent bereits festlegt, wie ein Stück klingen soll. In einer 1956 produzierten Fernsehsendung "What is Jazz?", deren Ton auch als LP erhalten ist, erklärt Leonard Bernstein, wie bislang die Variation als Methode der Musik dem Komponisten vorbehalten war. Und er führt das auch gleich am Beispiel einer Komposition von W. A. Mozart, Variation über ein Volkslied, klingend vor.
Leonard Bernstein: What is Jazz? Ausschnitt zu classic variation (mp3)
Mit dem Jazz, den Musiker am Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten, nahmen sich nun die Musiker die Freiheit, die Variation selber zu bestimmen, wobei die Musiker den Zusammenhalt wahren, indem sie sich an die Form und die Begleitakkorde der Originalmelodie (des "Themas") halten. Dieses "Improvisieren" genannte Musizieren hat also sehr wohl auch seine Regeln. Aber so hatten die Musiker auch die nötige Freiheit, die Rolle des Saxophons in ihrer Musik zu entwickeln, sowohl als Satzinstrument wie auch später als Soloinstrument. Als das Publikum zahlreicher wurde, wuchsen die Bands bis zu "Big Bands", in denen die Saxophone einen ganzen "Satz" (d. h. eine Gruppe Instrumente der gleichen Familie) bilden. Für die größer gewordenen Orchester wurden nun doch festgelegte Teile der Orchestermusik ("Arrangements") notwendig, aber das Improvisieren in Soli wurde nicht aufgegeben.
Leonard Bernstein erläutert in seinem Vortrag auch mit Beispielen am Piano, wie die Einführung der "Blue Notes" (In C-Dur sind dies Es, Ges und B) die Harmonien verändert und die Melodien verändert. Hier ist dieser Abschnitt aus seinem Vortrag:
Leonard Bernstein: What is Jazz? Ausschnitt zu Blue Notes (mp3)
Hier haben wir nun endlich einmal ein Musikelement, das wirklich auf afrikanischen Ursprung zurückzuführen ist. Aber in der Anfeindung der amerikanischen Musik taucht dieser Begriff nicht auf, sondern man bleibt bei der Hetze gegen das Saxophon. Das deutet eher auf Unkenntnis!
Der ganze Vortrag von Leonard Bernstein (46 Minuten) ist inzwischen nicht mehr auf YouTube.
Diesen Vortrag und weitere aus der Serie von Bernstein findet man aber inzwischen auch auf CD.
In Deutschland verhinderte die nationalistische Denkweise, die am Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland stark war und im "Dritten Reich" (1933 bis 1945) ihren Höhepunkt erreichte, dass die Musikstile von New Orleans Jazz bis Swing unbefangen übernommen werden konnten. Schon 1933 wurde mit dem "Reichskulturkammergesetz" die Bildung der Organisation "Reichskulturkammer" begonnen, die alle Bereiche der Kultur kontrollieren sollte. Eine Abteilung war die "Reichsmusikkammer". Das Bild links zeigt ein juristisch korrekt formuliertes Berufsverbot für den Berliner Musiker Dr. Werner Liebenthal aus dem Jahr 1935. Die Einträge in Wikipedia zum Thema "Reichskulturkammer" liefern weitere Informationen, ebenso die Veröffentlichungen des Musik-Schriftstellers und -Kritikers Dr. Albrecht Dümling. Die aus den USA stammende Musik - und mit ihr gleich auch aus anderen Ländern - wurde als "Negermusik" diffamiert und das traf besonders das Saxophon. In einer Sendung des Bayrischen Rundfunks "BR Klassik" und der "Neuen Musikzeitung", in der Reihe "Taktlos" vom 6. Nov. 2014, live in der Münchner Musikhochschule, erzählen Albrecht Dümling und der Saxophonist und Musiklehrer Joe Viera von diesen Jahren. Hier ein Ausschnitt dieser Sendung:
"Verfemt, geliebt, das Saxophon (Ausschnitt) (mp3)
Der Propagandaminister Joseph Goebbels unternahm 1934 den Versuch, der trotz aller Hetze wachsenden Beliebtheit der Swingmusik etwas "Deutsches" entgegenzusetzen und regte die Bildung einer Formation an, die einen "deutschen" Tanzmusikstil entwickeln sollte. Der Gitarrist Harald Kirchstein und der Pianist Willi Stech gründeten eine Kapelle, die unter dem Namen "Die Goldene Sieben" bald erste Aufnahmen veröffentlichte. Was da produziert wurde, blieb aber nach der Auffassung der Zensur viel zu nah an den ausländischen Vorbildern. Schon nach drei Jahren wurde der Kapelle die Unterstützung entzogen. Die Musiker aber machten weiterhin Musik im neuen Stil. Eine Serie von Aufnahmen des offenbar erfolgreichen Titels "Says My Heart", alle aus dem Jahr 1938, erlaubt das folgende
Rätsel: Welcher von den drei Abschnitten der Hörprobe stammt von einem deutschen Orchester?
Over The Rainbow, Orchester Heinz Wehner
Die Entwicklung des Saxophons zu einem Instrument, das in Soli aufhorchen ließ, verlief also außerhalb Deutschlands. Schon die Namen von Spitzensaxophonisten aus der Zeit von 1920 bis etwa 1960 belegen die Aussage: Sidney Bechet (Sopran), Coleman Hawkins (Tenor), Ben Webster (Tenor), Lester Young (Tenor), Johnny Hodges (Alto), Charlie Parker (Alto), John Coltrane (Tenor, später auch Sopran), Paul Desmond (Alto), Stan Getz (Tenor), John Haley 'Zoot' Sims (Tenor), Gerry Mulligan (Bariton). 1947 bildeten Stan Getz, Jimmy Giuffre (den ich eher als Klarinettisten mit eigenartig gehauchtem Ton kennenlernte), Herbie Stewart und Zoot Sims eine Gruppe, die dann in ähnlicher Form zum Saxophonsatz des Orchester Woody Herman wurde. Giuffre wurde durch den Baritonsaxophonisten Serge Chaloff ersetzt, lieferte aber als Arrangeur und Komponist für Herman den Hit "Four Brothers", der fortan die Gruppe und ihren Klang bezeichnete. Dabei wurden auch einmal Musiker ausgewechselt, aber der Klang blieb bestehen und machte den neuen Jazzstil bekannt, den man "cool" nannte, weil er dem Publikum "vornehmer" erschien als das bisher Bekannte. Das stimmte so aber nicht, denn gerade das Orchester Woody Herman trat immer so auf, dass es für mich das "Volldampf-Orchester" war! Wem alle diese Namen nicht geläufig sind, kann bei Wikipedia und den Musikverlagen (z. B. Vervemusicgroup, SonyBMG) nachsehen.
In Deutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der amerikanische Musikstil deutlich beliebter. Zu den deutschen Radioprogrammen kamen nun auch die Radioprogramme für die Soldaten der westlichen Siegermächte. Louis Armstrong, Benny Goodman, Glenn Miller, Tommy Dorsey, Duke Ellington und weitere Musiker wurden den Deutschen bekannt. Eine Reihe von Big Bands nach amerikanischem Vorbild kamen beim Publikum gut an, wobei auch ausländische Musiker in den Orchestern waren. Hier nur einige Namen von Orchesterleitern: Kurt Edelhagen (Köln), Werner Müller und später Paul Kuhn (Berlin), Erwin Lehn (Stuttgart), Rolf-Hans Müller (Baden-Baden), Willy Berking (Frankfurt), Max Greger (München), Hugo Strasser (Nürnberg), Franz Thon und Alfred Hause (Hamburg), Kurt Henkels (Leipzig). In kleineren Formationen, wo sich Musiker deutlicher bemerkbar machen müssen, kamen weitere Musiker dem Publikum ins Bewußtsein, darunter auch der Saxophonist Dennis Armitage vom Hazy-Osterwald-Sextett, sowie Klaus Doldinger (*1936, Klarinette, Saxophone), der 1971 mit der Gruppe "Passport" begann, wobei Olaf Kübler (*1937, erst Alto, dann Tenorsaxophon, Flöte) auch dabei war. Olaf Kübler hatte während seiner Ausbildung als Radio- und Fernsehtechniker sich selbst Altsaxophon beigebracht. Er spielte zuerst in dem Marburger Mac-Reimann-Sextett und lernte dann bei Kurt Edelhagen in der Jazzschule. Als er sich bei Max Greger bewarb, schreckte ihn ab, dass Greger von ihm verlangte, sich im Stil an seine Vorgaben zu halten. Da Greger nur bereits bekannte Titel verschiedener Stilrichtungen spielen ließ und sich nicht auf eigenes Terrain wagte, verzichtete Olaf Kübler dankend. Er musizierte dann bei einer Reihe von erfolgreichen Formationen, u.a. "Police", "Peter Thomas Sound Orchestra", "Panik-Orchester", bei Marius Müller-Westernhagen und bei Peter Maffay. Beim breiten Publikum wurden aber die Anführer der Formationen berühmt, nicht der Tenorsaxophonist: Sting, Klaus Doldinger, Uwe Lindenberg, Peter Maffay. Der 1932 geborene Joe Viera lernte die anglo-amerikanische Musik über das Radio kennen, mit dem er "Feindsender" hörte. Zum Verbessern des Radioempfangs lernte er die Radiotechnik, was ihn zu einem Physikstudium führte. Nach dem Examen wandte er sich jedoch der Musik zu und wurde vollberuflich Jazzmusiker und Musiklehrer für Saxophon. Er schrieb auch Lehrbücher, darunter "Das Saxophon im Jazz" (Universal Edition, ISBN 978-3-7024-0091-0). Für ihn als Solisten habe ich leider kein Hörbeispiel. Er gab 1970 den Anstoß zu den "Jazztagen Burghausen" und wurde auch deren künstlerischer Leiter.
Eine gesellschaftliche Entwicklung, die bis heute anhält, setzte in der 1970er Jahren ein: Tanzen als Freizeitvergnügen und große gesellige Veranstaltungen nahmen andere Formen an, wobei Musik vermehrt von Tonträgern abgespielt wird. Tritt dabei ein Musiker auf, ist es vorzugsweise ein Sänger, der zur Musik vom Tonträger singt (Playback). Zur Dekoration sind dann vielleicht noch ein paar Musiker auf der Bühne, die so tun, als würden sie spielen. Für sie ist das jedenfalls nicht zum Bekanntwerden geeignet. Instrumentalmusiker sind außerdem in ihren Bewegungen eingeschränkt, besonders wenn sie ständig in ihre Noten schauen müssen. Sie sind deshalb für eine Bühnenschau weniger geeignet. So braucht es nicht weiter zu verwundern, dass reine Instrumentalmusik beim Publikum nur noch hingenommen wird, wenn es daneben etwas Interessantes wie Essen und Trinken gibt.
Ein weiteres Hindernis wurde die in Deutschland praktizierte Unterscheidung zwischen "E-Musik" (ernster Musik) und "U-Musik" (Unterhaltungsmusik). E-Musik hört man fein angezogen, konzentriert und andächtig lauschend, also kultiviert, während man bei U-Musik sich unterhält, evtl. tanzt und trinkt. E-Musik ist also hehre Kultur, U-Musik dagegen eher seicht und proletarisch. Das Problem beim Saxophon: man sieht es als ein Instrument der U-Musik an. Erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs konnte man in Deutschland unbefangen die ausländische Musik hören und aus ihr eventuell lernen. Die verschiedenen Formen des Jazz verwirrten die Deutschen aber gehörig: war das nun U- oder E-Musik? Beispiele: Louis Armstrong bekannte sich eindeutig zur Unterhaltung, der Pianist Dave Brubeck und mit ihm der Altsaxophonist Paul Desmond traten eher wie E-Musiker auf.
Noch ein Hindernis: In dem eher traditionellen Teil der Blasmusik läßt man dem Saxophon nur eine Nebenrolle. An den Arrangements kann man es deutlich erkennen: Selbst da, wo Saxophone ihre Klangqualität zeigen könnten, lauert das Problem des Arrangeurs, dass seine Noten auch für Orchester mit schwacher Saxophonriege noch passen sollen. Prompt finden sich die Stimmen der Saxophone bei den Hörnern jeglicher Bauart wieder! Wenn dann die Blechbläser auch noch darauf bestehen, diese Stimmen zu spielen, werden die meist wenigen Saxophonisten übertönt. Das folgende Beispiel belegt das.
Aus den Schätzen unseres damaligen Dirigenten Gernot Franz bekam ich eine Aufnahme des Stückes "Modern City" von Karl Pfortner, wobei der Komponist selber das Orchester der Harmonie Karlsruhe leitete. Gernot Franz spielte damals Tenorhorn im Orchester und so konnte er mir authentisch von der typischen Notsituation erzählen. Nach einem Blechbläser-Forte kommt eine Stelle, an der die Saxophone nun einmal wirklich zu hören sein könnten. Da die Saxophonriege aber schwach besetzt war, mussten Flügelhörner und die tieferen Hörner den Part übernehmen.
Der Wechsel in der Klangfarbe des Orchesters ist schwächer, als wenn eine volle Saxophonriege - womöglich ganz ohne Hörner - gespielt hätte. Wenn bei der Wiederholung die Trompeten das langsame Thema umspielen, gibt es kaum Kontrast und der Reiz des Stückes ist beeinträchtigt.
Eine Aufnahme aus unserem Frühlingskonzert 2008 dokumentiert, wie wir an dieser Stelle auf das Problem achteten. Die Altsaxophone bliesen forte und die tiefen Hörner hielten sich zurück. Flügelhörner gab es gar keine.
Sidney Bechet, ein Musiker aus New Orleans, startete zwar mit Klarinette, wandte sich aber dann dem Sopransaxophon zu, mit dem er ab 1920 das Publikum beeindruckte. 1952 komponierte und spielte er das Stück "Petite Fleur", mit dem er bei weltweit sozusagen jedermann bekannt wurde. Das Spiel mit starkem Vibrato, dazu das Ziehen der Töne, sind seine technischen Stilmittel.
Sidney Bechet mit "Petite Fleur" (Ausschnitt, mp3)
Mit diesem Tonstil setzte er sich nicht nur stark von der Klarinette ab, sondern er zeigte ausserdem, dass das Saxophon als stimmführendes Instrument (engl.= lead) geeignet ist. Auch sein Schüler René Franc setzte diese Stilmittel ein.
René Franc mit "St. Louis Blues" (Ausschnitt, mp3)
Der Altsaxophonist Johnny Hodges, der in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Sidney Bechet gespielt hatte, übernahm seine Stilelemente und wurde 1928 Mitglied des Orchesters Duke Ellington. Dort war er sehr oft der Lead-Saxophonist.
Johnny Hodges mit "Don't Get Around Much Anymore" (Ausschnitt, mp3)
Die Tenorsaxophonisten, die in den Jazzorchestern von etwa 1930 bis 1950 als Leitfiguren anerkannt wurden, benutzten ebenfalls das Vibrato und das Ziehen der Töne.
Coleman Hawkins zeigt mit etwas härterem Ton (wozu aber auch die damalige Aufnahmetechnik beiträgt), dass Vibrato und Ziehen des Tons auch zu seiner Intonation gehörten.
Coleman Hawkins mit "It's Only A Paper Moon" (Ausschnitt, mp3)
Bei Lester Young, der einige Jahre später weithin bekannt wurde, - auch, weil Coleman Hawkins derweil in Europa tourte - ist der Ton insgesamt weicher. Mir fällt auf, dass er die tiefsten Töne des Tenorsaxophons sicher und sonor spielt, wohingegen die obersten Töne weniger eindrucksvoll klingen. Das deutet darauf hin, dass er mit relativ weichem Blatt spielte. Lester Young zeigte dem Publikum die Verwandtschaft zwischen dem Tenorsaxophon und einer Männerstimme in mittlerer Lage.
Lester Young mit "These Foolish Things" (Ausschnitt, mp3)
Ben Webster, ein weiterer Tenorsaxophonist, hatte zunächst Coleman Hawkins als Vorbild, entwickelte dann aber in den 40er Jahren einen regelrechten "Schmusestil".
Ben Webster mit "Somewhere Over The Rainbow" (Ausschnitt, mp3)
Der Altsaxophonist Charlie Parker führte ab 1945 zusammen mit dem Trompeter Dizzie Gillespie einen neuen Stil ein, den man Bee-Bop nannte. Bei Wikipedia findet man eine gute Beschreibung dieser Musik.
Charlie Parker mit "Cherokee" (Ausschnitt, mp3)
Etwas später kam der Tenorsaxophonist Theodore Walter 'Sonny' Rollins in diese Szene. Er spielte bei dem Trompeter Miles Davis, und machte sich später selbständiger.
Sonny Rollins mit "Strode Rode" (Ausschnitt, mp3)
Mit dem 1926 geborenen John Coltrane kam ein weiterer Saxophonist zur Bee-Bop-Szene, der zunächst Altsaxophon spielte, dann Tenorsaxophon, und ab 1960 auch Sopransaxophon. Auf einer LP von 1958 zeigt Coltrane eine große Spannweite seines Spiels: in der ersten Hörprobe lyrisch und ergreifend traurig, in der zweiten wild und extrem virtuos.
John Coltrane mit "Theme for Ernie" (Ausschnitt, mp3)
John Coltrane mit "Russian Lullaby" (Ausschnitt, mp3)
Das manchmal geradezu wahnwitzig virtuose Spiel dieser Musiker bildete einen strengen Kontrast zum nun schon etablierten Swing, war aber so abgehoben, dass Amateure diesen Stil nicht einfach übernehmen konnten.
Zur Musikrichtung des Bee bop kann man auch noch den 1928 geborenen Julian 'Cannonball' Adderley zählen, der mit seinem Altsaxophon ähnlich wie Coltrane auch lyrisch intonieren konnte.
Julian 'Cannonball' Adderley mit "Goodbye" (Ausschnitt, mp3)
'Cannonball' Adderley machte sich aber auch um die Musiklehre verdient, indem er 1962 auf einer LP den Werdegang des Jazz mit vielen Musikbeispielen zeigte. Diese Aufnahme ist auf Youtube unter dem folgenden Link anzuhören:
Julian 'Cannonball' Adderley: A Child's Introduction to Jazz (1962).
Darin erzählt Adderley, wie Coleman Hawkins Ende der 1920er Jahre dem Saxophon einen Platz als Soloinstrument im Jazz erarbeitete.
Der 1927 geborene Lee Konitz, der als Zehnjähriger Klarinette sich selbst beigebracht hatte, dann Tenorsaxophon, ging zum Altsaxophon über und machte schon als Zwanzigjähriger auf sich aufmerksam. Für seine Spielweise mit einem lyrischen Ton, der bei langsamen Stücken zur Geltung kam, gepaart mit sicherer Virtuosität, fanden Kritiker den Begriff "Modern Jazz".
Lee Konitz mit "Sound Lee" (Ausschnitt, mp3)
Etwa 1950 machte der Tenorsaxophonist Stan Getz mit einer neuen Spielweise auf sich aufmerksam: vibratoarm und das Ziehen des Tons sparsam einsetzend. Auch in der oberen Lage behielt der Ton eine ergreifend lyrische Klangfarbe.
Stan Getz mit mir unbekanntem Titel (Ausschnitt, mp3)
1951 wurde der Altsaxophonist Paul Desmond, Mitglied des Dave-Brubeck-Quartetts, durch eine ähnliche Spielweise bekannt.
Paul Desmond mit "A Taste of Honey" (Ausschnitt, mp3)
Im gleichen Jahr brachte der Altsaxophonist Earl Bostic, der zunächst mit 'Rhythm and Blues'-Stil auftrat, eine Aufnahme heraus, bei der man glaubte, er spiele ein Tenorsaxophon.
Earl Bostic mit "Flamingo" (Ausschnitt, mp3)
Erst jetzt erfuhr ich von "revived45s", der diese Aufnahme in Youtube veröffentlichte, dass Earl Bostic das Altsaxophon mit dem Blatt eines Tenorsaxophons (und vermutlich auch dem Mundstück) spielte!
1951 nahm der Tenorsaxophonist Jimmy Forrest den Titel "Night Train" im 'Rhythm and Blues'-Stil auf, so dass man dessen Intonation mit der von Earl Bostic vergleichen kann.
Jimmy Forrest mit "Night Train" (Ausschnitt, mp3)
Die raue Tonbildung hielt sich in der Rockmusik, weil sie den Eindruck von "wild und unangepasst" vermittelt. Bei einer Aufnahme von "Night Train", die 1952 entstand, ist das Saxophon noch etwas rauer und wilder. Es gibt widersprüchliche Angaben, wer dabei das Saxophon spielte, Jimmy Forrest oder Earl Bostic, doch sinnigerweise ist dies die bekannteste Version. Für den Zweck, die Intonationsmöglichkeiten des Saxophons zu zeigen, ist das aber unerheblich.
Jimmy Forrest oder Earl Bostic mit "Night Train" (Ausschnitt, mp3)
Eine Szene aus einer TV-Show von 1957 mit Louis Prima, die man sich am besten als Video in Youtube ansieht, erläutert "wild und unangepasst" ohne weitere Worte. Sam Butera spielt das Tenorsaxophon, während die Sängerin Keely Smith als Kontrast neben Louis Prima stumm, steif und demonstrativ gelangweilt steht.
Louis Prima, Sam Butera (ts) und Keely Smith in TV-Szene
1960 nahm Sam Butera den gleichen Titel in besserer Tonqualität auf, so dass man einen deutlicheren Eindruck vom "rockigen" Ton des Tenorsaxophons bekommt: möglichst fortissimo spielen.
Sam Butera and the Witnesses mit "Night Train" (Ausschnitt, mp3)
1954 nahmen Bill Haley & His Comets eine Single auf, wobei der Titel "Rock Around The Clock" auf die B-Seite plaziert wurde. Nach einem kurzen Aufstieg in den Charts ging die Aufnahme unter. Aber der Filmregisseur Richard Brooks, der den Film "Blackboard Jungle" (dt. "Saat der Gewalt") plante, hörte im Hause seines Hauptdarstellers Glenn Ford, der einen von asozialen Schülern geplagten Lehrer spielen sollte, wie der Sohn Peter Ford den Titel "Rock Around The Clock" begeistert anhörte. Brooks ließ sich überzeugen und nahm dies als Titelmusik zum Film, und wiederholte ihn auch am Ende. Sowohl der Film als auch die Titelmusik wurden ein Riesenerfolg. Der Tenorsaxophonist der "Comets", Joey D'Dambrosio, erzählte später (in Youtube veröffentlichtes Video) diese Geschichte, aber von der Instrumentalversion des Titels, die meine Tanzmusik-Kumpane und ich damals wegen der Riffs mit Gitarre und Tenorsaxophon gerne übernahmen, erfährt man auch von ihm nichts.
1956 brachten Bill Haley & His Comets eine Reihe von Aufnahmen heraus, die unter dem Titel "Rock and Roll Stage Show" als LP gesammelt erschienen. Die Aufnahmen müssen aber schon länger existiert haben, denn man hört hier man den Anfang der Rock and Roll-Stilrichtung und es wird noch deutlich ausprobiert, sogar ein Akkordeon ist dabei! Das folgende Beispiel zeigt, wohin die Entwicklung ging: nicht nur nur die Intonation des Tenorsaxophons ist zu hören, sondern auch die Verschiebung der Betonung auf die Taktschläge 2 und 4.
Bill Haley and his Comets mit Beginn des "Rock and Roll"-Stils (Ausschnitt, mp3)
Diese Betonungsweise färbte sogar auf die Swingmusik ab und ließ dann die älteren Aufnahmen weniger gekonnt erscheinen. Nach einiger Zeit verschob sich die Betonungsweise im Tanzen des "Rock and Roll" zu gleichmäßiger Betonung der vier Taktschläge und die ursprüngliche Betonungsweise wurde zu "Jive".
1957 kam der Saxophonist und Orchesterleiter Billy Vaughn mit einer Arrangier-Idee heraus, die beim Publikum so gut ankam, dass viele Musiker von nun an "Billy Vaughn" im Programm hatten. Zwei Lead-Saxophone in eingängigem Terzen- oder Sexten-Abstand spielten meist schon bekannte Melodien.
Billy Vaughn mit "Sail Along Silv'ry Moon" (Ausschnitt, mp3)
Ein weiterer Musiker, der etwa 1960 mit Cool Jazz in Kalifornien bekannt wurde, entging damals meiner Aufmerksamkeit. Bud Shank spielte nicht nur Tenorsaxophon, sondern auch Altsaxophon, Flöte und Oboe. Hier ist ein Titel, bei dem er Tenorsaxophon spielte. Das zeigt, dass ich ihn zu Recht mit Zoot Sims verwechselte.
Bud Shank mit "Thou Swell" (Ausschnitt, mp3)
Der Baritonsaxophonist Gerry Mulligan rang dem sonst meist knurrenden Instrument einen trotz der tiefen Lage lyrischen Ton ab und trat in kleinen Besetzungen auf, die schon etwas abenteuerlich waren: zunächst in einem Quartett mit dem Trompeter Chet Baker, dazu Bass und Schlagzeug, und dann mit dem Ventilposaunisten Bob Brookmeyer. Mit diesem Quartett gab er 1954 ein Konzert in Paris, vor dessen Start ihm dann doch etwas bang wurde: der riesige Saal Pleyel und nur vier Musiker auf der Bühne! Aber sie überzeugten das Publikum.
Gerry Mulligan Quartet mit "Moonlight in Vermont" (Ausschnitt, mp3)
Mit dem Pianisten Dave Brubeck machte Gerry Mulligan auch Quartett-Aufnahmen, bei denen Dave Brubeck dem Baritonsaxophon die Hauptrolle überließ, anders als im Quartett mit Paul Desmond.
Gerry Mulligan Quartet mit "New Orleans" (Ausschnitt, mp3)
Zusammen mit Gerry Mulligan trat auch der Tenorsaxophonist Zoot Sims auf, der ähnlich wie Paul Desmond intonierte.
Zoot Sims mit Gerry Mulligan und weiteren Musikern mit "The Nearness of You" (Ausschnitt, mp3)
Der Titel "Four Brothers" des Orchesters Woody Herman belegt, welch eigenständigen Klang man mit einer Saxophongruppe bekommen kann.
Orchester Woody Herman mit "Four Brothers" (Ausschnitt, mp3)
Die beiden letzten Beispiele zeigen, welche reizvollen, originellen Klänge man mit den Saxophonen erzeugen kann. Ob man so einen Klang in einem typischen hiesigen Blasorchester überhaupt will und auch hinbekommt, ist nicht die Frage. Aber eine Vorstellung, was möglich ist, sollte man schon haben, also schlicht: Vorbilder.
Paul Desmond, Stan Getz, Gerry Mulligan sind für mich die wichtigsten Vorbilder für den anzustrebenden Klang des Saxophons. Mit solch einem Ton bilden die Saxophone auch im Blasorchester eine gute Kontrast-Klangfarbe zu den Trompeten. Aber wie bekommt man diesen Klang hin? Um das selbstkritische Ausprobieren und Üben kommt man zwar nicht herum, doch hilft es, wenn man weiß, was in dem Instrument vor sich geht.
Obwohl der Ton im Saxophon wie bei der Klarinette mit dem einfachen Blatt erzeugt wird, schwingen beide Instrumente doch verschieden. Und das hat Folgen für das Spiel.
Ein Vergleich zwischen Saxophon und Klarinette bei einem tiefen Ton mit möglichst langer Luftsäule zeigt einen wichtigen Unterschied zwischen ihnen. Ein solcher Ton ist das tiefe (klingende) F3, das in der unteren Lage auf dem Altsaxophon als D, auf der B-Klarinette als G gegriffen wird. Auf dem Altsaxophon reicht die Luftsäule dabei gerade bis zur unteren Rohrkrümmung, und läßt sich mit dem Maßband gut abmessen. Man mißt ca. 0,75 m, und ca. 0,50 m bei der Klarinette.
Die Schwingungszahl des Tons F3, seine Frequenz, ist 174,61 Hz (Schwingungen pro Sekunde = 1/s), wenn der Kammerton A4 = 440 Hz ist. Eine Übersicht der Notennamen und der zugehörigen Frequenzen gibt es im Abschnitt
Töne und Notennamen. Für diesen Abschnitt wird ein eigenes Fenster geöffnet, damit man die Tabelle immer wieder einmal rasch zu Hilfe nehmen kann.
Aus der Akustik, der Lehre über den Schall, ist die mathematische Beziehung zwischen der Schallgeschwindigkeit v, der Wellenlänge L und der Frequenz des Tons, f, bekannt. Die Wellenlänge multipliziert mit der Frequenz ergibt immer die Schallgeschwindigkeit:
Runden wir die Frequenz des tiefen F3 auf 175 Hz auf, wird die Rechnung ganz einfach. Für warme, feuchte Luft, wie wir sie ausatmen, ist die Schallgeschwindigkeit v = 350 m/s. Mit f = 175 Hz muss dann die Wellenlänge L = 2,00 m sein.
Im Bild sind die Rohrformen von Saxophon und Klarinette mit den Rohrlängen im gleichen Maßstab dargestellt, in der Querrichtung dagegen willkürlich verbreitert, um eine "handliche" Abbildung zu bekommen. Aus dem Abschnitt
"Wie die Klarinette schwingt"
wissen wir, wie darin ein Viertel der gesamten Welle im Rohr als stehende Welle schwingt. Zum schnellen Vergleich ist hier die Skizze von der Klarinette eingefügt, wobei die Luftauslenkung jetzt einfach um 90° gedreht für den Maximalwert dargestellt ist. Die Sättigung der grünen Farbe deutet auch hier die Lage der Druckwelle an. Geht man mit dem Mauszeiger auf das Bild, zeigt die eingeblendete Darstellung der Luftauslenkung, dass es im Saxophon die gleiche Schwingungsform wie in der Klarinette nicht geben kann, weil dafür die Wellenlänge der gesamten Welle länger, der zugehörige Ton also tiefer werden müsste. Von der ganzen Welle schwingt im Saxophon also ein größerer Teil als stehende Welle. Wie wir aus den Längenangaben sehen, ist es das Anderhalbfache von einem Viertel, also 3 Achtel, aber wie liegt das denn nun im Instrument?
Sicher wissen wir bisher, dass sich am offenen Ende des Rohrs kein Druck aufbauen kann, deswegen ist dort ein "Knoten" der Druckschwingung, und das Druckmaximum ist dann wie bei der Klarinette im Rohr eine viertel Wellenlänge von der Öffnung entfernt. Dort ist zwar kein festes Widerlager, doch dafür baut der entgegenkommende Wellenteil den nötigen Druck von der anderen Seite auf.
Das nächste Bild zeigt die Schwingung mit einer Animation, die startet, wenn man mit dem Mauszeiger auf das Bild geht.
Zur Verdeutlichung sind zusätzlich Pfeile in das Bild gezeichnet, die die wirkliche Richtung der Luftbewegung anzeigen. Im Rohr des Saxophons fliegt also die Luft gegeneinander und baut damit die Druckwelle auf. Der Druck hält die Luftbewegung schließlich an, läßt sie dann umkehren und der Druck baut sich ab. Zu den Zeitpunkten, wo der Druck im Rohr ausgeglichen ist, hat die Luft eine Geschwindigkeit, die sie dank ihrer Masse in die andere Auslenkungsrichtung weitertreibt. Damit wird nun umgekehrt ein Unterdruck erzeugt, der die Luft bremst und schließlich wieder ins Innere zurückkehren läßt. Auf das Bild der Geschwindigkeitsverteilung in der Schwingung habe ich verzichtet, weil die Bilder sonst zu unübersichtlich werden.
Wir fachen ja die Schwingung im Saxophon an, indem wir hineinblasen. Der Luftdurchsatz am Mundstück addiert sich zu der in der Animation gezeigten Luftbewegung. So wird zusammen mit der reinen Schwingungsbewegung im Rohr nah am Mundstück die Luftauslenkung asymmetrisch, und zwar überwiegend in das Rohr hinein. Geht man mit dem Mauszeiger auf das Bild, zeigt es den entgegengesetzten Extremzustand der Luftbewegung, so dass man die Asymmetrie erkennt, auch im Vergleich zum vorigen Bild. Vermutlich geht der Effekt sogar so weit, dass in jedem Zustand der Schwingung Luft in das Instrument geblasen wird. Da die eingeblasene Luft sich im Rohr auf einen immer größer werdenden Querschnitt verteilt, wird der Effekt zum offenen Rohrende hin immer geringer. Bei der Klarinette ist der Effekt entsprechend dem geringeren Luftdurchsatz etwas geringer, bei der Oboe mit dem kleinen doppelten Blatt noch geringer.
Das Anstoßen der Schwingung ist trotz des Unterschieds der Schwingungsform im Rohr prinzipiell wie bei der Klarinette. Das Blatt lässt unter dem Druck, den der Bläser erzeugt, periodisch Luftstöße ins Rohr, die die Schwingung anfachen. Durch das Hineinblasen werden zunächst irgendwelche fortlaufenden Schallwellen in dem Rohr erzeugt, die - natürlich mit der Schallgeschwindigkeit - durch das Rohr laufen. Für menschliche Begriffe geht das schnell: im ca. 1,00 m langen Altsaxophon dauert das nur ca. 3 Tausendstel Sekunden (Millisekunden, ms). Erst nach mehrmaligem Durchlaufen der Röhre ordnet sich die Luftbewegung und die gewünschte Schwingung baut sich auf. Um zu vermeiden, dass dabei auch alles schief gehen und ein falscher Ton entstehen kann, sollte man das Blatt immer möglichst mit der Zunge kontrolliert anstoßen, also nicht hineinhusten!!! Wie bei der Klarinette bestimmen der Druck und der Luftdurchsatz, den der Bläser aufbringt, wie laut das Instrument wird.
Sehen wir uns die wirkliche Schwingungsform des Saxophontons als Funktion der Zeit näher an.
Das Bild zeigt die Schwingung des klingenden F3 in mehreren Schwingungsperioden. Oben im Bild ist die Zeitskala mit einem Teil der 39. Sekunde (das ist willkürlich, nur zum Verstehen der Zahlen auf der Skala) aus meiner Aufnahme. Man erkennt die Grundwelle des Tons, denn gleiche Formen der Welle wiederholen sich in gleichmäßigem Abstand von 5,7 ms (Millisekunden). Wie bei der Klarinette ist die Schwingung aber weit von der glatten Pendelbewegung - mathematisch: der Sinusschwingung - entfernt. Zum Vergleich erscheint diese im Bild, wenn man mit dem Mauszeiger auf das Bild fährt. Verantwortlich für den Unterschied sind die kräftigen Oberwellen (= Obertöne, wenn wir das Hören meinen), deren Stärke man mit dem mathematischen Werkzeug der Frequenzanalyse ermitteln kann. Deren Ergebnis zeigt das nächste Bild. Fährt man mit dem Mauszeiger auf das Bild, kommen ein paar Bezeichnungen hinzu.
Der Unterschied zur Klarinette wird durch die Frequenzanalyse des gleichen Tons auf der Klarinette deutlich:
Beim Vergleich der beiden Frequenzanalysen fällt sofort auf, dass beim Saxophon die erste und dritte Oberwelle stark ist, dagegen bei der Klarinette die zweite und auch die vierte.
Die Frequenzanalyse enthält keine Zeitinformation, sagt uns also nichts darüber aus, wie die erste und weitere Oberwellen im Saxophonrohr relativ zur Grundwelle schwingen. Dies können wir uns aber aus der Tonaufnahme am offenen Ende des Saxophons erschließen, auch wenn dabei alle Wellen zusammen mit dem Mikrofon aufgenommen wurden. Da ich nur näherungsweise etwas erkennen wollte, kam ich mit einem Probierverfahren schon zur gewünschten Erkenntnis.
Nachdem wir aus der Frequenzanalyse die Stärken der Teiltöne kennen, setzte ich umgekehrt aus Sinusschwingungen mit diesen Stärken einen Saxophon-ähnlichen Ton zusammen. Das ist zwar etwas mühsam, aber es gelang mir, aus vier errechneten Sinusschwingungen mit 175 Hz, 350 Hz, 525 Hz und 700 Hz, die ich als getrennte Tondateien gespeichert hatte, eine Summen-Schwingung zu erzeugen, die realen Saxophonschwingungen ausreichend ähnelt. Das zeitgerechte Addieren der Teilwellen aus den vier Tondateien ließ ich von meinem Musik-Bearbeitungsprogramm durchführen. Dabei justierte ich die Stärke der Teilwellen mit den Lautstärkereglern der Kanäle für die Teiltöne. Danach justierte ich die zeitliche Lage der Teilwellen "von Hand" in dem zugehörigen Bearbeitungsprogramm für die Wellen (dem "Wave-Editor"). Das folgende Bild zeigt das Ergebnis dieser doch etwas mühsamen Prozedur. Nebenbei: Die Art der Darstellung der Wellenformen ist eine Eigenart dieses Programms: die Fläche zwischen der eigentlichen Kurve und der Nulllinie ist schwarz gefärbt.
Die Ähnlichkeit der Summenschwingung mit den Vorlagen, nämlich den Aufnahmen von zwei realen Saxophonen, ist der Lohn für die mühsame Annäherung an dies Ergebnis. Hört man sich diesen Ton an,
stellt man aber nur eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Saxophon fest. Eher glaubt man eine elektronische Orgel zu hören. Zum Vergleich die beiden Vorlagen für die Synthese:
mein eigenes Altsaxophon
und
das fremde Altsaxophon.
Es fehlen die höheren Oberwellen und Blasegeräusche, die dem Ton offenbar erst einen echten Charakter geben. Es fehlt auch ein glaubhafter Beginn des Tons, doch den sollte die Synthese auch nicht ergeben, denn sie imitiert nur den eingeschwungenen Zustand. Die uns interessierende Zeitinformation über die Oberwellen haben wir aber bekommen: Die Oberwellen schwingen nahezu zeitgleich mit der Grundwelle, so dass zur Zeit eines Maximums der Grundwelle auch immer wieder ein Maximum der Oberwellen auftritt, wenn auch bei der 1. und 3. Oberwelle ein wenig später.
Weil auch für die Oberwellen gilt, dass am offenen Rohrende die Druckkomponente einen Knoten haben muss, da sich gegen die freie Umgebung kein Druck aufbauen kann, liegt die Bewegung der ersten Oberwelle so im Rohr, wie das folgende Bild es zeigt: insgesamt schwingen drei Viertel der Welle im Rohr, mit einem Knoten am Mundstück. Dies ist auch die Form, in der bei der Klarinette die wichtige zweite Oberwelle (die mit der dreifachen Frequenz) schwingt!
Die erste Oberwelle ist mit den zwei Schwingungsextremen eingezeichnet, um anzudeuten, dass sie doppelt so schnell schwingt. Die Darstellung des Druckzustands für die beiden Wellen habe ich weggelassen, weil das in der Darstellungsart mit mehr und weniger gesättigten Farben zu undeutlich wird, und weitere Linien machen das Bild verwirrend. Aber aus dem oben zur Grundschwingung Gesagten ist zu verstehen, daß auch die erste Oberwelle an den Stellen, wo ihr Anteil an der Luftbewegung minimal ist, eigene Druckmaxima (bzw. Unterdruckminima) erzeugt, die sich zu der Druckschwingung der Grundwelle addieren, wie das übrigens auch bei den weiteren Oberwellen geschieht.
Die Lage der ersten Oberwelle (der Oktave zum Grundton) im Rohr macht sofort verständlich, weshalb das Saxophon in die Oktave überbläst: Öffnet man ein Loch im oberen Drittel, wird das Ausbilden des Druckmaximums dort genauso wie am offenen Rohrende unterbunden. Dagegen kann die erste Oberwelle sich voll ausbilden und übernimmt die Rolle der Grundwelle des F4-Tons. Dieser erzeugt seine eigenen Oberwellen. Auch die zweite Oberwelle des Tons F3, die im Bild braun eingezeichnet ist, wird unterdrückt.
Die Frequenzanalyse des F4-Tons belegt das Gesagte. Die Grundschwingung F3 mit 175 Hz und ihre zweite Oberwelle 525 Hz sind nicht mehr dabei.
Das Saxophon-Mundstück ist dem der Klarinette sehr ähnlich, hat im wesentlichen nur andere Abmessungen und eine andere Befestigung am Rohr des Saxophons. Bei dieser Befestigung gibt es nicht die seitlichen Ausbuchtungen des Rohrinneren an der Befestigung, die sich bei der Klarinette als hilfreich erwiesen.
Die Form des Mundstücks und des Blatts, aber auch die Art, wie der Musiker den Ton anstößt und beim Halten den Ton kontrolliert, bestimmen die Tonerzeugung. Anfänger sollten ein Mundstück mit einer kleinen Bahnöffnung benutzen und ein "leichtes" Blatt auflegen. Ein "leichtes" Blatt ist eines, das die schwingende Fläche leichter zu verbiegen erlaubt. Es erlaubt dem Anfänger, mit geringem Atemdruck und geringer Lippenkraft die tiefen bis mittleren Töne zu erzeugen. Die hohen Töne sind damit allerdings nicht gut zu erzeugen, wie das folgende Beispiel zeigt.
Altsax: Leichtes Blatt, hohe Töne. Die Töne wollen nicht sofort in der gewünschten überblasenen Form anschwingen, sondern beginnen auch mit der Grundschwingung, die erst nach einer Weile aufhört. Das Ganze klingt recht gequält. Von Anfängern sollte man deshalb keine schönen hohen Töne verlangen, denn die können ihnen mit den "leichten" Anfänger-Blättern einfach nicht gelingen! Das folgende Beispiel eines Songs, bei dem ich die Melodie mit dem Altsax mitspielte, enthält Töne bis zum E5 (klingend G5).
Altsax: hohe sanfte Töne. Schon der Fortschritt bis zu diesen Tönen will errungen sein. Nach dieser Aufnahme ging ich noch einen Schritt weiter: ein neues Mundstück mit etwas größerer Öffnung, aus Kunststoff, um den Ton nicht zu scharf werden zu lassen. Für das Lied einer verlassenen, traurigen Frau, nämlich dem Titel "Bei dir war es immer so schön" von Theo Mackeben konnte ich bestimmt keine lauten, rockigen Töne gebrauchen.
Altsaxophon im Titel "Bei dir war es immer so schön" (Ausschnitt, mp3)
Erst mit zunehmender Erfahrung kann man allmählich nach schwereren Blättern suchen. Man sollte sich auch ruhig durch die Blätter von verschiedenen Anbietern durchprobieren, bis allmählich die eigene Urteilsfähigkeit wächst. Und die braucht man, denn weder gibt es das "beste Mundstück", noch "das beste Blatt". Weil die Details des Mundstücks und des Blatts alle erheblich variiert werden können, kann der Ton der Saxophone in Lautstärke und Klang stark verändert werden, ja sogar stärker als bei der Klarinette.
Sehen wir uns die Schwingung des Blatts etwas genauer an. Bei den mittleren und hohen Tönen packen wir das Mundstück etwa in der Mitte der Bahn, so wie es im Bild mit den stilisierten Zähnen und Lippen angedeutet ist. Durch das Andrücken mit dem Unterkiefer wird das Blatt näher an die gekrümmte Bahn gedrückt und der Teil des Blattes, der noch frei schwingen kann, wird kürzer. Die "effektive Bahnlänge" wird also kürzer. Geht man mit dem Mauszeiger auf das Bild, zeigt eine Animation, wie das Blatt dann schwingt. Das Blatt soll möglichst mit der Frequenz des gewünschten Tons schwingen, damit der Ton schnell richtig starten kann. Das wird einem zwar nur angenähert gelingen, aber glücklicherweise steuert die Schwingung aus dem Rohr rückwärts auch das Blatt. Je geschickter man sich dabei anstellt, desto sauberer startet der Ton mit der gewünschten Höhe. Bei gleichem Griff der Klappen kann man aber auch umgekehrt durch gewollte Variation des Andrucks die Tonhöhe variieren. Das für das Saxophon typische Ziehen des Tons und das Vibrato wird auf diese Weise erzeugt. Die Variation der Tonhöhe ist aber auch für das Feinjustieren der Tonhöhe notwendig, die bei dem Saxophon leider unumgänglich ist. Man sollte dies übrigens üben, denn man sollte wissen, was dabei möglich ist und man sollte diese Aktion beherrschen.
Für tiefere Töne muss das Blatt mit größerer effektiver Bahnlänge schwingen. Das nächste Bild zeigt, wie die effektive Bahnlänge vergrößert wird, wenn man weniger andrückt. (Ich habe die Änderung etwas übertrieben, damit man sie im Bild leichter erkennt.) Auch hier kommt eine Animation, wenn man mit dem Mauszeiger auf das Bild geht. Bei den tiefsten Tönen kann es vorkommen, dass man die Kontrolle über das Blatt verliert. Dann muß man das Mundstück etwas tiefer in den Mund nehmen. Leider kann dann bei den obersten Tönen die effektive Blattlänge eventuell zu groß bleiben, selbst wenn man ganz fest andrückt. Um bei schnellem Wechsel zwischen tiefen und hohen Tönen nicht ständig hin und her rutschen zu müssen, sollte man eine geeignete Position erproben. Bei der Suche nach einer solchen Kompromißstelle sollte man ruhig in beide Richtungen übertreiben, und so allmählich das Gefühl für die richtige Position des Mundstücks im Mund entwickeln. Wem das als unmöglich erscheint: können nicht (fast) alle Menschen Melodien mit gespitzem Mund gezielt pfeifen? Dabei wird doch auch nur nach Gefühl und Gehör der Mund trainiert. Gleiches gilt für den Kehlkopf und den Mund beim Singen.
Dieses Bild illustriert den äußersten Fall, wie man bei den tiefsten Tönen das Mundstück packen kann. Die Animation zeigt, wie das Blatt bis an die Bahn heranschwingt, wenn man dann auch noch stark hineinbläst. Für das folgende - unangenehme - Tonbeispiel nahm ich das "schwächste" Blatt aus dem Sortiment, mit dem ich üblicherweise spiele. Es sind hintereinander zwei Durchgänge einer Tonübung, bei der man möglichst leise beginnt, langsam bis zu möglichst großer Lautstärke steigert und dann wieder leiser wird.
Tonübungen piano-forte-piano mit dem tiefen Es3. Der Ton beginnt zwar fauchend, aber doch akzeptabel wohltönend. Wenn der Ton lauter wird, wird der Ton schärfer, d.h. man hört zunächst mehr Obertöne hervorkommen. Beim Wiederholen versuchte ich eine noch größere Lautstärke zu erzeugen. Das Aufschlagen des Blatts auf der Bahn bringt das Schwingen erheblich durcheinander: Der Grundton will sogar aufhören und der Ton kippt in die Oktave. Generell sollte man diesen instabilen Schwingungszustand vermeiden, was aber nicht heißt, dass man ihn gelegentlich doch erzeugt, z.B. um Musikerkollegen zu ärgern. Das Aufschlagen des Blattes erzeugt umso mehr Obertöne, je härter das Material des Mundstücks ist, und da gibt es die Auswahl von Kunststoff bis Metall. Zusätzlich hat man noch die Wahl, wie hart das Blatt von dem Blattfixierer auf der Bahn gehalten wird. Hierbei gibt es die Auswahl von rein metallischen Halteklammern bis zu weichen Lederkonstruktionen. Bei einem Mundstück mit geringer Bahnöffnung und einem leichten Blatt bringt man mit dem geringsten Aufwand das Blatt in den Endanschlag und damit in den Bereich des verzerrten Tons. Erst eine Bahn mit großer Öffnung am Ende erlaubt größere Ausschläge des Blatts, ohne dass das Blatt auf der Bahn aufschlägt. Wer also laut mit unverzerrtem Ton spielen möchte, kommt um eine große Bahnöffnung nicht herum. Wenn man zu einem Mundstück mit größerer Bahnöffnung übergeht, sollte man dabei zu einem leichteren Blatt übergehen, damit man zunächst mit dem gleichen Anpressdruck blasen kann. In jedem Fall sollte man sich geduldig an seine eigene maximale Lautstärke herantasten. Dazu sind die Crescendo-Decrescendo-Übungen unumgänglich.
Ein zweites Merkmal der Bahn des Mundstücks ist die Krümmung der Bahn. Um besser zeigen zu können, worum es hier geht, habe ich im Bild die Darstellung vertikal stark vergrößert. Als Vergleichskurve für die Form der Bahn ist rot eine Kreislinie eingezeichnet, die ja eine konstante Krümmung hat.
So erkennt man, dass bei dem Mundstück, das ich als Vorlage für die Zeichnung genommen habe, beginnend an der ebenen Befestigungsstelle, die Krümmung erst schwach ist und zur Mundstückspitze hin zunimmt. Die Animation der Blattbewegung läßt die folgenden Feststellungen noch etwas deutlicher werden, wenn man sich abwechselnd einmal auf die rote Linie konzentriert, dann auf die schwarz gezeichnete Bahn. Ist bei gleicher Bahnöffnung die Krümmung gleichmäßig, kann das Blatt bei tiefen Tönen freier schwingen. Aber wenn es bei höheren Tönen stärker an die Bahn herangedrückt wird, bleibt am Ende des Blatts relativ wenig Spielraum zum Schwingen. Damit kann man zwar eine gute Tonqualität bei tiefen Tönen erreichen, hat aber leider auch bei höheren Tönen Schwierigkeiten. Phrasen, bei denen das Saxophon jubelnd nach oberen Tönen aufsteigen soll, klingen dann statt dessen jammernd und leise. Eine Bahn, bei der die Krümmung schwach beginnt und zum Ende hin zunimmt, erlaubt jubelnde oder kontrolliert traurige Klänge bei den höheren Tönen, macht dagegen bei den tiefen Tönen Schwierigkeiten. Man muss sich also letzten Endes den ganz persönlichen Kompromiss erarbeiten.
Die Form des Blattschnitts spielt eine weitere wichtige Rolle bei der Tonzerzeugung. Man sollte als Anfänger immer mit "leichten" Blättern beginnen, wobei es am wichtigsten ist, überhaupt erst einmal dem Instrument Töne abzugewinnen. Aber wenn man mit der Tonbildung fortschreitet, sollte man die Variationsmöglichkeiten beim Blatt einschätzen können. Im Bild links sind zwei Blätter abgebildet, die ich aus meinem Vorrat genommen habe. In der Bezeichnungsweise des Herstellers haben sie die Stärke "2 1/2" und "3". Das sind die beiden "schwersten" Typen, die dieser Hersteller anbietet. Der Unterschied zwischen beiden Blättern ist nicht sehr groß, aber man erkennt immerhin, dass der Blattschnitt links etwas länger ist als rechts. Das rechte Blatt erlaubt mir, die höchsten Töne gut herauszubringen, d. h. sowohl leise als auch laut, jedoch bei den tiefsten Tönen kommt das Rohr über ein melodiöses Fauchen nicht hinaus. Das linke Blatt dagegen erlaubt gute tiefe Töne, doch die höchsten Töne sind schon beeinträchtigt.
Hält man die Blätter gegen eine Lichtquelle (durchleuchtet sie also), verraten sie weitere Eigenschaften. Entlang dem ganzen Blattschnitt werden sie auf eine solche Weise dünner, dass in der Mitte das Blatt etwas dicker bleibt. Oder anders ausgedrückt: die Linien gleicher Dicke (vergleichbar den Höhenlinien auf einer Landkarte) sind etwa so gekrümmt, wie das Ende des Blattes aussieht. Geht man mit der Maus auf das Bild, werden einige solche Linien eingeblendet. Die Form, in der das Blatt über den Blattschnitt hinweg dünner wird, ist beim "schwächeren" Blatt insgesamt auf eine längere Strecke verteilt. Bei beiden Blättern ist keine Stufe zu erkennen. Ich erwähne dies extra, um bewußt zu machen, dass das Blatt ja seine Eigenschaften über den ganzen Tonbereich gleichmäßig ändern soll.
Wenn wir die Blatteigenschaften noch selber etwas beeinflussen wollen, können wir von dem Blatt nur Material wegnehmen (hihi!). Deshalb müssen wir dabei eben mit einem für uns als eher "schwer" empfundenen Blatt beginnen. Das Bild zeigt Beispiele, die Verjüngung des Blatts zur Spitze hin, den "Blattschnitt", zu formen. Im Bild zeigt "a" den Blattschnitt aus den bisherigen Bildern als Vergleichsbasis. Die Verjüngung des Blatts beginnt bei dem Ende der ebenen Auflagefläche des Mundstücks. Die Form der Verjüngung ist nicht korrekt gezeichnet, damit der Unterschied zu den Beispielen "b" und "c" besser zu erkennen ist. In Wirklichkeit ist die übliche Form eher wie "b".
Nehmen wir an, wir hätten aus den handelsüblichen Blättern eines herausgesucht, auf dem wir die höchsten Töne gut erreichen, aber zu den tiefen Tönen hin Schwierigkeiten haben, sie in Gang zu bringen, dann machen wir uns daran, das Blatt dünner zu schleifen. Man nimmt dazu feines Sandpapier, auf einen runden Stift gewickelt (Bleistift oder etwas dicker) und schleift von dem Blatt etwas ab. Im Bild zeigen die Beispiele "b" und "c", nach welchem Grundgedanken man vorgehen kann.
Im Fall "b" nimmt man von dem Blatt etwas ab, ohne den Blattschnitt insgesamt zu verlängern. Wenn der Blattschnitt genauso lang ist wie der gekrümmte Teil der Bahn, dann ergibt diese Art, das Blatt "leichter" zu machen, meist bei bei der mittleren Lage ein gefügigeres Ansprechen des Blattes. Es kann aber passieren, dass die tiefsten Töne noch immer Schwierigkeiten machen. Dann ist es besser, nach Art des Beispiels "c" den Blattschnitt zu verlängern, denn für die tiefsten Töne muß sich ja dieser Teil bewegen. Die Bilder von den realen Blättern zeigen, dass es sich beim Abschleifen wirklich nur um wenig Material handelt. Der Blattschnitt kann auch etwas länger als der gekrümmte Teil der Bahn werden, die Änderung wirkt sich doch noch aus. Man geht beim Abschleifen des Blatts geduldig in kleinen Schritten vor und probiert immer wieder zwischendurch, denn das Abschleifen ist ja nicht umkehrbar! Beim ersten Probieren des Verfahrens sollte man aber nicht gleich aufgeben, wenn man doch beim Abschleifen zu weit gegangen ist und das Blatt zu "leicht" wurde.
Das dünne Ende des Blattes lässt man besser unangetastet, denn hier sind die handelsüblichen Blätter meist in Ordnung und besser als das, was man als Amateur selber erreichen kann. Es versteht sich nach all dem über die Tonerzeugung Gesagten fast von selbst, dass das Ende des Blattes mit der Kante des Mundstücks gleichauf liegen muß, damit die Öffnung des Mundstücks möglichst gut geschlossen werden kann, wenn man zu großen Lautstärken kommen will.
Es gibt noch weitere Besonderheiten beim Saxophon, die es zu beschreiben gilt, wie z. B. die Stimmung des Instruments.